Predigt über das Thema Hölle

1. Die Leugnung der Hölle

Unter der Überschrift „Zeugen, die aus der Hölle kommen“ veröffentlichte die Süddeutsche am Donnerstag einen Beitrag zu dem Prozess gegen den Leugner der Judenvernichtung im Lager Auschwitz, David Irving. Dieser Mann behauptet steif und fest, Adolf Hitler habe von den Vergasungen in Ausschwitz keine Kenntnis gehabt; es seien Vergasungen lediglich auf kleiner, experimenteller Basis vorgenommen worden, und auf der Rückbank von Edward Kennedys Auto in Chappaquiddick seien mehr Frauen gestorben als in den Gaskammern von Ausschwitz.
Zwei Männer zumindest, die beiden letzten Überlebenden des von den Nazis zur Zwangsarbeit verpflichteten Sonderkommandos, Josef Sackar und Schaul Chasan, beide selber Juden, sind zutiefst empört über diese Aussagen, die Irving vor einem britischen Gericht machte. Sie selber haben die Hölle Auschwitz erlebt, mit eigenen Augen gesehen, wie Tausende und Abertausende in die Gaskammern geführt und danach verbrannt worden sind.
Und es ist ungeheuerlich, mitzuerleben, wie jemand keck dieses Kapitel des Holocaust an den Juden Europas leugnet, obwohl es genügend Aussagen und Dokumente gibt, die das Gegenteil deutlich machen.
Keiner von uns ist damals dabei gewesen. Aber wir müssen uns verlassen können auf Dokumentationen und schriftlich gefertigte Berichte von Zeugen dieser Schrecknisse. Wir wissen: die Hölle von Auschwitz hat es gegeben – so schrecklich das auch ist. Und die Augen davor zuzumachen hilft nicht. Dadurch wird man Schuld nicht los. Dadurch kann man Menschheitsgeschichte nicht umschreiben.
Angesichts der Leugnung einer anderen Hölle, nämlich der biblischen, wünschte ich mir, es gäbe auch noch lebende Zeugen, die jedem von uns glaubhaft machen könnten: wir haben die Hölle gesehen. Es gibt sie wirklich. Und Ihr solltet alles tun, um ihr zu entgehen.
Diese Sätze also sind ein Einstiegsversuch in ein nicht einfaches Thema – das Thema „Hölle“. Und interessanterweise wird auch dieses Thema immer mehr geleugnet. Geleugnet – so hat man den Eindruck – besonders dort, wo eigentlich sein wichtiger Stützpunkt ist: in den Kirchen.
Hölle gilt nämlich besonders in unserer Zeit als ein zutiefst unappetitliches Relikt aus dem finsteren Mittelalter. Und gerade die mittelalterlichen Gemälde haben unser Bild von der Hölle besonders geprägt: ein flammendes Inferno mit grässlichen Dämonengestalten, die Menschen quälen und ins Feuer stürzen.
So etwas passt natürlich nicht in diese unsere Zeit. Dabei können sich heute Kinder in jedem dahergelaufenen Horrorfilm viel schrecklichere Szenen viel gruseliger anschauen, als die mittelalterlichen Menschen auf ihren Kirchenbildern. Das Grässliche ist für uns kein Problem. Nur darf es nicht hinein in unsere Realität. Es hat auf den Filmen zu bleiben. Es gehört auf die Leinwand.
Hölle aber – so real wie die Bibel sie beschreibt – das hält unsere empfindsame gesellschaftliche Seele nicht mehr aus. Denn Hölle – das ist ja das Gegenteil von Himmel. Es ist der Gegenort. Und damit provoziert der Gedanke an die Hölle eine Entscheidungssituation: entweder Himmel oder Hölle. Und damit wird die biblische Botschaft von einer Hölle und einem Himmel absolut gesetzt. Die moderne Toleranz aber hält nichts von absoluten Werten. Toleranz heißt heute: Die verschiedenen Wahrheiten stehen gleichwertig nebeneinander. Eine absolute Wahrheit gibt es nicht. Und unsere Gesellschaft hält auch nichts von einem Gottesbild, das es aushalten muss, dass Gott Menschen in diese schreckliche Hölle schickt. „Ist das denn ein Gott der Liebe?“ so wird sofort gefragt. Wie kann man an einen Gott glauben, der so etwas tut? Der so absolut ist und von der Lebensentscheidung eines Menschen einen solchen Aufenthaltsort abhängig macht.
Und so gibt es nicht nur einen Menschen, der die Hölle der Bibel leugnet – es gibt überhaupt nur noch ein paar wenige, die es überhaupt wagen, von der Hölle zu sprechen und die Illustrationen der Bibel ernstzunehmen.
Die meisten Menschen heute, auch im kirchlichen Bereich, leugnen die Hölle. Und sie lächeln mitleidig, wenn jemand damit anfängt.
Hölle aber ist keine Erfindung einiger mönchischer Menschen, die damit ein Druckmittel schaffen wollten, um andere an die Kirche zu binden und damit drohen zu können.
Hölle ist biblische Botschaft. Und deshalb ist Hölle ein Thema auch für einen Gottesdienst. Nämlich für den heutigen.
Der Begriff „Hölle“ kommt übrigens aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen „Hel“ und bezeichnet den Ort und das Reich der Toten, auch die Todesgöttin. Dass Hölle und Totenreich etwas Verschiedenes sind, wird im biblischen Umfeld deutlich.
Und da ist es zunächst wichtig, sich einmal die Bibelstellen anzuschauen, die Hölle beschreiben. Es sind nicht wenige. Und deshalb musste ich eine Auswahl treffen.
Wenn wir uns diese Stellen jetzt auf einer Folie anschauen, dann zur besseren Übersicht. Wer will, schaut in seine Bibel hinein.
Also.

2. Der biblische Befund

Mir liegt dabei vor allem an dem, was Jesus Christus selber zur Hölle sagt. Denn so nüchtern wie die Aussagen Jesu zum Ende der Welt, so nüchtern sind seine Aussagen auch zum Thema Hölle. Jesus malt nicht aus. Jesus lässt keine Dämonen tanzen.
Jesus hätte wohl gar keine Freude an den mittelalterlichen Bildern der Hölle. Aber er macht unmissverständlich klar:
Hölle ist Realität, göttliche Realität. Und Hölle ist schrecklich.
„Wenn Dich Dein Auge zur Sünde verführt, dann reiß es heraus. Es ist viel besser, einäugig in Gottes Reich zu gelangen, als mit zwei gesunden Augen schließlich ins Feuer der Hölle geworfen zu werden. Dort wird die Qual nicht enden und das Feuer nicht verlöschen.
Markus 9,47
Wie das Unkraut vom Weizen getrennt und verbrannt wird, so wird es auch beim Gericht Gottes über die Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel senden. Sie werden aus dem Gottesreich alle Verführer und alle, die Unrecht tun, aussondern, sie in den Feuerofen werfen und verbrennen. Dort wird viel vergebliches Heulen und ohnmächtiges Jammern zu hören sein.
So wird es auch am Ende der Welt sein; die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen, um sie in das höllische Feuer zu werfen. Dort werden sie weinen und jammern, aber niemand kann ihnen helfen.
Matth 13, 40ff – 51
Und sie werden der ewigen Strafe ausgeliefert sein. Aber die den Willen Gottes getan haben, erwartet unvergängliches Leben.
Matth 25,46
Zu denen auf seiner Linken aber wird er sagen: Geht mir aus den Augen, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, das für den Teufel und seine Helfer bestimmt ist.“
Matth 25,41
Ähnlich deutlich wird auch Johannes, wenn er das Thema Hölle in der Offenbarung anspricht.
Bei lebendigem Leib wurden beide – das Tier und der Lügenprophet – in einen See voller Feuer geworfen, in dem Schwefel brannte.
Offb 19,20
Der Teufel, der sie verführt hatte, wurde nun auch in den See von Feuer und Schwefel geworfen zu dem Tier und dem Lügenpropheten. Immer und ewig müssen sie dort Tag und Nacht schreckliche Qualen erleiden. (ebenda)
Liebe Gemeinde, man kann viel gegen die Hölle aussagen. Aber es ist einfach nicht wahr, dass sie nicht ausreichend bezeugt ist.
Wir können leider nicht, wie bei dem Prozess in England, ein paar „Zeugen aus der Hölle“ aufmarschieren lassen. Aber das Zeugnis der Bibel ist ausreichend klar: Hölle ist der von Gott geschaffene Gegenort zum Himmel. Und es wird der Ort sein, an den die Menschen kommen, die ganz bewusst ohne Gott auf dieser Erde gelebt haben.
Und die Hölle hat nichts zu tun mit dem Hades, der Gehenna, der Scheol – Begriffe, wie sie im AT gebraucht werden. Ich kann hier jetzt nicht ausführlich auf diese Unterschiede eingehen. Aber ich habe ein Blatt vorbereitet, das hinten ausliegen wird, und auf dem sehr viel ausführlicher erläutert ist, was gemeint ist.
Nur soviel jetzt:
Hades, Gehenna oder Scheol – dies sind Begriffe, die nicht den endgültigen Strafort meinen, sondern Totenreich oder Unterwelt. Manchmal scheint Scheol auch nur das Grab zu bezeichnen. Dann wiederum ist sie ein Ort des Dunkels, der Verhüllung und des Halblebens, in dem aber das Bewusstsein der Toten nicht aufgehoben ist. Dort warten Gerechte und Gottlose auf ihr abschließendes Urteil, die einen bereits im qualvollen Angesicht ihrer Fehlentscheidung gegen Gott, die anderen getröstet durch die Gewissheit ihrer Errettung durch Christus.
Am Ende der Tage wird in der allgemeinen Auferstehung aller Menschen das Totenreich ganz geleert werden. dann kommen die Ungerechten an den Ort ihrer endgültigen Bestimmung, in den „feurigen Pfuhl“, von dem a auch Jesus Christus spricht (Offb 20,15; 21,8).
Eine zeitliche Begrenzung dieses Höllenortes gibt es nicht. Wie sagt es Jesus: Dort wird die Qual nicht enden und das Feuer nicht verlöschen. (Markus 9,47)
Und es gehört eine ganze Portion theologischer Willkür dazu, die im gesamten Neuen Testament anzutreffenden Aussagen von der Scheidung der Geretteten und Verdammten beiseite zu schieben und allen Menschen ein gutes, versöhnliches Ende in Aussicht zu stellen. Sie wissen vielleicht, dass die Vertreter der „Allversöhnungslehre“ dies z.B. unter Bezug auf Bibelstellen wie 1. Tim 2,4 (Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und..) in Aussicht stellen: eine Zusicherung „Ende gut – alles gut!“. Das klingt sehr beruhigend, lässt sich aber von der Bibel her nicht ausreichend begründen. So leid es mir tut: ich sehe diesen Ausweg so nicht und kann ihn auch heute morgen nicht predigen. Hölle erscheint vom gesamtbiblischen Zusammenhang als endgültig und ewig. Und ich werde im letzten Teil der Predigt deutlich machen, warum auch hinter dem Höllengedanken ein gnädiger Gott stehen kann.
Andererseits – das muss auch gesagt werden: Wir haben den Menschen nicht die Hölle heiß zu machen, um sie mit der drohenden Verdammnis in den Himmel zu hetzen. Auch das wäre theologisch unseriös und seelsorgerlich sehr bedenklich. Wir haben aber die Menschen nüchtern daran zu erinnern, dass sie in ihrem Leben Gott als ihren Schöpfer Rechenschaft schuldig sind. Und wir haben ihnen eine Antwort zu geben auf die Frage, wie sie in jenem letzten Gericht vor Gott bestehen können.
Auch dazu im letzten Teil der Predigt.
Wie gesagt: nehmen Sie Sich den Zettel mit am Ausgang und lesen Sie zu Hause den Zusammenhang.
Lassen Sie uns nun weiter nachdenken über die Frage:

3. Unser Bild von der Hölle – und was es aussagen will

Wir stellen uns die Hölle oft vor wie eben einen brennenden Ofen oder einen riesigen Feuersee. Mittelalterliche Bilder prägen unsere Phantasie.
Das Bild von dem brennenden Pfuhl (Offb.) ist aber ein Bild, das viel älter ist; ein Bild, das die schrecklichste Qual beschreiben soll, die Menschen sich vorstellen können: bei lebendigem Leibe und ohne Ende zu brennen. Zu verbrennen ist sicherlich für den Menschen aller Generationen eine der vorstellbar schrecklichsten Todesarten. Seit Menschengedenken graut Menschen davor, in Feuersbrünste zu geraten. Mein Verständnis ist, dass die Bibel deshalb das Bild vom nie verlöschenden Feuer wählt, um Hölle überhaupt annähernd zu beschreiben. Und Jesus hat sich in den damaligen Bildern ausgedrückt, wenn er die Hölle beschreibt. Die Menschen des Mittelalters haben die Verbrennung von Ketzern auf diesem Hintergrund durchgeführt. Und sie haben die Pein der Verbrennenden dadurch steigern können, dass das Feuer auf kleiner Flamme gehalten wurde. Die Sterbenden sollten schon einen Vorgeschmack auf die Hölle haben, die ihnen aufgrund ihrer Ketzerei ja drohte.
Was aber soll mit dem Bild von der Hölle als Feuersee deutlich werden?
Die Bibel bemüht sich, deutlich zu machen: der Gegenort zum Himmel ist entsetzliche Qual. Denn: es ist der Ort der totalen Abwesenheit Gottes. Und diese Abwesenheit Gottes ist das wirklich Schreckliche, das Schrecklichste der Hölle. Selbst der Teufel und alle seine Vasallen werden das zu spüren bekommen. Denn nirgendwo in der Bibel wird der Teufel als der Beherrscher der Hölle genannt. Es wird keine Hölle mit peinigenden Dämonen geben. Sie alle, der Teufel eingeschlossen, werden die Qual der Hölle erleiden. Sie werden selber darin sein. Vielleicht korrigiert das einen Teil Ihres Höllenbildes schon etwas.
Aber nun machen Sie Sich das einmal bewusst: Hölle heißt: totale Abwesenheit Gottes und alles Göttlichen. So wie im Himmel keine Schmerzen, kein Leid, keine Tränen, keine Trauer, kein Tod mehr da sein wird – so wie also der Himmel als Abwesenheit all dessen beschrieben werden darf, das mit Leiden und Sünde und Bösem zu tun hat – so gilt für die Hölle: nichts mehr wird da sein von Gottes Barmherzigkeit, die selbst den schlimmsten Sünder zu retten bereit ist. Nichts mehr wird da sein von Hoffnung, von Vertrauen, von Liebenswertem. Nichts mehr von Schönheit – insofern sind die schrecklichen Gestalten der mittelalterlichen Höllenbilder durchaus wieder berechtigt: Hölle ist das hässlichste, das grausamste, was man sich vorstellen kann, denn es fehlt Gottes Antlitz – und damit auch menschliches Antlitz. Kein Ruf um Erbarmen wird mehr gehört; es gibt einfach keinerlei Hoffnung mehr. Das ist Hölle.
Und die schrecklichsten Situationen menschlichen Lebens, die wir uns vorstellen können – sie werden so niemals sein können. Wenigstens ein Funken Hoffnung, wenigstens ein Häufchen Erbarmen; vielleicht in einem Konzentrations– oder Todeslager ein Mensch, der ein Lächeln hat oder einen Funken Glauben mit einem andern teilt – das alles gibt es auch in der schrecklichsten menschlichen Hölle.
Gottes Hölle aber heißt: nichts mehr davon. Denn: Gott ist nicht mehr an diesem Ort. Und er wird niemals mehr da sein. Das ist Hölle. Das ist feuriger Pfuhl. Das brennt. Das quält schlimmer als alle Teufel mit mittelalterlichen Folterinstrumenten. Und davor, vor dieser Hölle warnt die Bibel.
Und nun möchte ich das ganz persönlich sagen: Wem das Bild vom feurigen Pfuhl zu feurig ist, wer in seiner Phantasie von den lauten Schmerzensschreien der Geplagten verfolgt wird und sich deshalb von der Vorstellung einer Hölle angewidert verabschieden will, der mache sich mit mir zusammen einmal bewusst, was ich gerade über die Botschaft an uns gesagt habe, die der „Feurige Pfuhl vermitteln will: Hölle ist totale Abwesenheit alles Göttlichen.
Wer begreift, was das realiter bedeutet, der kann auf den Feurigen Pfuhl als antikes Bild vielleicht verzichten; aber er wird begreifen, warum er da niemals hingelangen möchte und darf, und warum es die Hauptaufgabe der christlichen Gemeinde bis zur Wiederkunft Jesu bleiben muss, so viele Menschen wie möglich davor retten zu helfen. Der begreift, warum dies das Thema Nr. 1 der Christen bleiben muss: Evangelisation und Mission weltweit!
Nur: es bleiben Fragen offen, auf die wir noch Zeit verwenden müssen. Z.B. die Frage: was ist das für ein Gott, der eine Hölle erfinden kann? Und wie komme ich daran vorbei? Deshalb:

4. Die Hölle – und der lebendige Gott

Die Hauptanfrage an die Hölle ist die Anfrage der Liebe Gottes. Kann ein liebender Gott denn eine ewige Hölle zulassen? Kann er es ertragen, Menschen dorthin zu schicken? Und wie soll man einem solchen Gott noch seinen Glauben und sein Herz schenken?
Um hier weiterzukommen müssen wir uns deutlich machen, dass im gesamten AT und NT Gott nur verstehbar ist durch zwei sich entgegengesetzt gegenüberstehende Voraussetzungen: Die erste:
Gott liebt diese Welt und uns Menschen in einer unvorstellbar starken Weise.
Und die zweite:
Gott hasst alles, was seinem Willen und seiner Schöpfung entgegenläuft, er hasst die Sünde und das Sündige in der gleichen unvorstellbar starken Weise. Gott erträgt die Anwesenheit der Sünde und des mit Sünde behafteten nicht. Er könnte damit niemals leben.
Wer sich das bewusst macht, der begreift, dass diese Wesensart Gottes – und das zunächst einmal ganz empfindungsfrei und logisch – zu zwei Räumen führen muss: zu einem Ort der Anwesenheit Gottes und alles Göttlichen – und zu einem Ort, an dem Gott niemals zu finden ist. Ganz nüchtern also kommen wir zu der Konsequenz von Himmel und Hölle. Das entspricht der Wesensart Gottes. Und ich kann zunächst Gott keinen Vorwurf machen, dass der Ort seiner Abwesenheit eben so grässlich ist, dass das Bild eines „feurigen Pfuhls“ die Qual dieser Abwesenheit Gottes im Leben – im ewigen Leben eines Menschen – nur annähernd beschreibt. Anstatt mich über die Hölle zu erschrecken, könnte ich Gott eigentlich mein Leben lang danken für die Zeichen seiner Anwesenheit, für seine radikale Liebe zu mir.
Anstatt ihm also die Hölle vorzuwerfen oder sie gar zu leugnen, könnte ich mich ein Leben lang fragen: Warum ist Gott so gut zu mir? Warum liebt er mich so?
Also nochmals: diese beiden radikalen Wesenszüge Gottes setzen logischerweise Himmel und Hölle. Es ist also nicht etwa inkonsequent, Gottes Liebe und die Hölle gemeinsam zu denken, sondern es ist zutiefst konsequent, indem ich nicht emotional den feurigen Pfuhl und die Qualen sehe, sondern zuerst die Wesenheit Gottes in Liebe und Gerechtigkeit, in der Annahme des Sünders und dem Hass auf die Sünde.
Und ich wäre schon sehr dankbar, wenn jeder von uns heute morgen diesen Gedankengang mitmachen könnte und sich verabschiedet von der irrigen Meinung, dass der Gott der Bibel zusammen mit einer Hölle nicht glaubwürdig wäre.
Denn dabei brauchen wir nicht stehen zu bleiben. Warum? Weil Gott dort auch nicht stehen bleibt.
Denn was passiert: Es geschieht etwas Einschneidendes um der Menschen willen. Gott hat ja viel früher als wir Menschen gewusst, dass diese zwei Wesensarten Gottes – sein Hass auf die Sünde und seine Liebe zu uns Menschen – ein Opfer haben würden: das schwächste Glied der Kette: den Menschen selber. Denn auch in uns Menschen sind zwei Wesensarten vorhanden: die Sucht nach der Sünde – und die Suche nach Gott und nach Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde. Doch wir sind so schwach, dass die Sucht nach der Sünde immer gewinnt.
Gott aber liebte die Menschen. Er hätte am liebsten die Hölle für alle Zeiten leer gesehen. Und er sah die Menschen abdriften in Richtung Hölle – in ihrer Sucht nach der Sünde, nach Selbstbestimmung und in Hochmut gefangen.
Deshalb handelte Gott selbst. Und er tat es in einer unnachahmlich konsequenten und überzeugenden Weise. Gott kreuzte seine Liebe zu uns Menschen und seinen Hass auf die Sünde. Und daraus entstand das Kreuz Jesu. Am Kreuz Jesu Christi macht Gott zum einen unmissverständlich deutlich, wie sehr er die Sünde hasst und – wie schrecklich die Wirkung der Sünde ist: am Kreuz stirbt einer um der Sünde willen. Und er stirbt, mit eben dieser Sünde belastet. So schrecklich ist Sünde!!
Und das andere, was Gott deutlich macht: er liebt mich und Dich unnachahmlich: denn um mich und Dich zu retten vor der Hölle, hängt Gott sich in Jesus Christus selber ans Kreuz. Er bringt das Opfer seines Lebens – nicht indem er ein wenig Theater spielt. Gott stirbt unter brüllenden Schmerzen und – was wirklich wiegt – unter der Last meiner und Deiner Sünden. Und damit ist für jeden der Weg an der Hölle vorbei geschenkt: für immer und alle Zeit und für alle jemals auf dieser Erde lebenden Menschen.
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren – nicht zur Hölle gehen – , sondern ewiges Leben – Leben im Himmel haben.“ – Das ist Evangelium – in aller Kürze in Joh 3,16.
Die Hölle ist also ein Ort, an dem kein Mensch sein muss – kein Mensch sein muss. Jesus macht deutlich, dass er ein Geschenk für jeden Menschen hat: seine Vergebung der Schuld. Ich muss dieses Geschenk nur annehmen, einfach annehmen und auspacken. Wenn ich das tue, verändert sich mein Leben. Das wäre jetzt ein ganz neues Thema. Aber es ist so: es verändert sich mein Leben. Und ich gewinne durch Christus die Kraft, den Wirkungen der Sünde in meinem Leben Gottes verändernde Kraft entgegenzustellen – und kann dann die Erfahrung machen – nicht immer, aber immer öfter – Sünde zu lassen und mich zum Guten hin zu verändern. Gottes Barmherzigkeit und Liebe macht mir ein Geschenk. Annehmen muss ich es selbst. Und das bedeutet dann – und bitte hören Sie: in der Hölle werden sich nur die Menschen befinden, die – und davon bin ich allerdings überzeugt – die im Begreifen dieses Geschenkes und im Verstehen der schrecklichen Konsequenz „Nein“ sagen – und „Nein“ tun. Verstehen Sie: in der Hölle sitzt keiner, der aus göttlicher Willkür dort wäre. Er ist dort wegen seiner eigenen Willkür. Er sagt Nein.
Und erst dann sagt Gott ihm am Ende der Zeit: Ich kann nicht da sein, wo die Sünde ist. Darum geh Du allein an den Ort, an dem ich nicht bin. Hölle ist das Ergebnis eines konsequent ohne Gott gelebten Lebens. Lehne das Geschenk Gottes ein Leben lang ab – und Du weißt, wo Du sein wirst, wenn Gott Gericht hält.
Nur: gibt es das denn? Dass ein Mensch so etwas tut? Wer könnte so verrückt sein? Wer? Ganz München ist voller solcher Menschen. Das ist ja das Unbegreifliche. Sogar heute morgen kann jemand hier sitzen und vielleicht logisch nachvollziehen, warum es eine Hölle gibt, was ein Geschenk Gottes ist und was er tun darf und muss, um in den Himmel zu kommen – und er tut´s nicht. Er tut´s nicht. – noch nicht vielleicht, aber hoffentlich bald. Gott segne Sie dann mit der Bereitschaft und dem Mut, sein Geschenk anzunehmen und Christsein zu probieren. Wie das dann aussehen kann, dazu möchte ich am nächsten Sonntag etwas sagen, zum Gästegottesdienst.

Schlussbemerkung

Ich komme zum Schluss und sage:
Theologie und Verkündigung der Gegenwart sind von einer auffallenden Gerichtsvergessenheit gekennzeichnet. Wo werden dem Predigthörer heute noch ernste Worte über das Gericht Gottes und die ewige Verdammnis zugemutet? Stattdessen betreiben viele Kanzelredner eine Verniedlichung Gottes, die niemanden mehr beunruhigt.

Schon in den 50er Jahren stellte der Essener Jugendpfarrer Wilhelm Busch eine Frage, mit der ich diese Predigt abschließen will. Er fragte: „Was fehlt denn unserer Predigt, die so gut und so sicher und so zeitnah ist – und die trotz aller Bemühungen am Menschen vorbeiredet und keine Bewegung schafft?“ Er selbst gab die Antwort: „Dieses fehlt ihr: es fehlt in ihr die Angst, dass Hörer und Prediger in die Hölle kommen könnten.“
In diesem Sinne: Gott segne auch in Zukunft die Botschaft, die von dieser Kanzel gesagt wird – für mich und für Dich.
Und ich bitte Gott, dass er jedem, der an der Glaubbarkeit der Hölle zweifelt, warum auch immer, wieder die Gewissheit schenkt, dass es sie gibt – und dass wir nach Gottes Willen nicht dorthin kommen müssen und sollen.
Amen.

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